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FC Einheit Bad Berka

50 JAHRE FRAUENFUSSBALL IN DEUTSCHLAND - INTERVIEW MIT SUSANN PFAFF - TEIL 2

Jeannine Rothe, 01.11.2020

50 JAHRE FRAUENFUSSBALL IN DEUTSCHLAND - INTERVIEW MIT SUSANN PFAFF - TEIL 2

Im zweiten Teil des Interviews mit Susann Pfaff wollen wir einen kleinen Einblick in die Arbeit rund um den Frauen- und Mädchenfußball des FC Einheit Bad Berka bekommen.


Wie kam es 2007 zu der Gründung von Frauen- und Mädchenmannschaften beim FC Einheit?
Nach mehreren erfolgreichen Jahren beim FC Union Erfurt, wo man sich leider nur wie das 5. Rad am Wagen fühlte und das Geleistete nicht oder nur sehr spärlich anerkannt wurde, war die Frauenmannschaft auf der Suche nach einem neuen „zu Hause“. Mehrere Möglichkeiten wurden in Erwägung gezogen. In Erfurt zu bleiben oder irgendwo anders ganz neu anzufangen, wo man eventuell auch die Chance hat, selbst Nachwuchs zu gewinnen. Da kam Jeannine Rothe und mir die Idee an unserem Wohnort Bad Berka mit dem Vorstand des FC Einheit Bad Berka bezüglich der Gründung einer Frauenfußballmannschaft zu sprechen. Der damalige Vereinsvorsitzende Rüdiger Silbermann fand die Idee sehr spannend und stimmte dieser wenige Tage später zu. So ist dann die Idee gewachsen und 2008 wechselte dann die komplette Frauenmannschaft vom FC Union Erfurt zum FC Einheit Bad Berka.

Wie sahen die Anfänge aus?
Nachdem klar war, dass die Frauenmannschaft ab der Saison 2008/2009 für den FC Einheit Bad Berka auf Punktejagd gehen wird, wurde bereits im Herbst 2007 mit dem Aufbau von Nachwuchsmannschaften begonnen. Angeboten wurde ein Schnuppertraining für fußballbegeisterte Mädchen und es kamen etwa 10-15 Mädchen. Betreut wurden diese von den Trainerinnen Jeannine Rothe und mir. Über die Jahre konnten wir weitere Trainerinnen für die immer wachsende Anzahl an Spielerinnen gewinnen. So übernahmen weitere Spielerinnen der Frauenmannschaft Juliane Friedl (E-Juniorinnen) und Diana „Usch“ Leimbach (C- und B-Juniorinnen) die Betreuung der Teams. Mit mir (F+E-Juniorinnen) und Jeannine Rothe (D-Juniorinnen) sind die Verantwortlichen der Gründungszeit immer noch dabei. Wobei wir uns beide auch noch dem Training/Betreuung der Frauenmannschaft über die gesamte Zeit widmeten. Es ist sehr schwer engagierte und motivierte Trainerinnen oder Trainer zu finden. Es war ein langer Weg, der viel Engagement des bis dahin reinen weiblichen Trainerteams abverlangte, um dahin zu kommen, wo wir jetzt sind. Gute 10 Jahre hat es gedauert, doch in der Saison 2018/2019 konnten wir voller Stolz als einziger Verein in ganz Thüringen in jeder Altersklasse ein Team im Landesspielbetrieb des Thüringer Fußballverbandes an den Start schicken. So kickten in dieser Saison unsere Teams der F-, E-, D-, C- und B-Juniorinnen im Nachwuchsspielbetrieb, sowie ein Frauenteam und ein ü35-Team im Erwachsenenbereich. Und das in einer Kleinstadt mit ca. 8000 Einwohnern.

Welche Erfolge konnten Sie bereits beim FC Einheit Bad Berka verzeichnen?
Unser Frauenteam wurde 2009/2010 und 2010/2011 Meister der Landesklasse und in der Saison 2013/2014 Triple Sieger (Pokal, Meister, Halle) des KFA Mittelthüringen. Hinzu kommen zahlreiche Meisterschaften, Hallenmeisterschaften und Pokalsiege der Nachwuchsmannschaften - vor allem in der jüngeren Vergangenheit. Außerdem können sich zwei Teams des FC Einheit Bad Berka  bereits Deutscher Streetsoccer Meister, ausgespielt in Prora, nennen.

Wie stellt sich die aktuelle Situation des Frauenfußballs in Bad Berka dar?
In der laufenden Saison nehmen wir mit unseren E-, D- und C-Juniorinnen am Spielbetrieb des TFV in der Verbandsliga teil. Leider gibt es für unsere F-Juniorinnen seit 2 Jahren keine befriedigende Spielmöglichkeit. Hier wurden bisher auch immer Turniere durch den TFV ausgerichtet, doch seit 2 Jahren sind wir der einzige Verein in ganz Thüringen, der ein Team für die Turnierform stellen könnte. So dass seit letzter Saison Funino Turniere gespielt werden, wobei hier auch nur 2 weitere Vereine ein Team stellen konnten. Diese Saison hat leider noch kein Turnier stattgefunden.
Unser Frauenteam, in dem zwischenzeitlich viele unserer Nachwuchsspielerinnen angekommen sind, spielt erfolgreich in der Kreisoberliga Mittelthüringen mit.
Die Trainingsbedingungen auf unserer Sportanlage in Bad Berka sind hervorragend. Unser Hauptplatz wurde vor einigen Jahren in einen Kunstrasen umgewandelt, so dass es sehr gute Trainingsbedingungen für das ganze Jahr gibt. Auch konnten wir einen Papa einer Spielerin gewinnen, der nun das Training unserer G-Juniorinnen betreut, so dass unsere derzeit jüngsten Kickerinnen 4 Jahre alt sind.

Mit dem WM-Sieg 2007, dem EM Sieg 2013, und dem Sieg bei den Olympische Spielen 2016 der Frauennationalmannschaft wurden tolle Erfolge gefeiert. Haben Sie dadurch persönlich/im Verein einen Boom für den Mädchen- und Frauenfußball gemerkt?
Ja sicherlich sorgen solche Events für kurzzeitigen Aufwind in der Spielergewinnung, allerdings hilft es deutlich mehr den direkten Kontakt zu den Mädchen über die Kindergärten und Schulen zu suchen.

Gab es Talente aus dem Verein, die sich für andere Vereine, Stützpunkte oder Auswahlmannschaft empfehlen konnten?
Johanna Biermann - ein Mädchen aus der Anfangszeit in Bad Berka spielt jetzt in der 2. Bundesliga bei Eintracht Frankfurt, nachdem sie von Bad Berka über Jena und Einsätze in Jugendnationalmannschaften dorthin gewechselt ist. Celina Bednar wechselte jetzt im Sommer nach Jena, nachdem sie für die U12-Thüringenauswahl nominiert wurde und mit ihr im vergangenen Winter NOFV-Meister in der Halle wurde. Weiterhin haben wir mit Luise Baumbach, Luisa Golm und Julie Mock Spielerinnen in unserem Frauenteam, die auch mehrere Jahre in verschiedenen Thüringer Nachwuchsauswahlmannschaften aktiv waren. Und auch Auswahlspielerinnen der 90-iger Jahre befinden sich in unseren Reihen. Ich war in der Thüringenauswahl der Frauen aktiv und Jeannine Rothe war Teil der Thüringer U19-Auswahlmannschaft zu dieser Zeit.   

Wie ist die allgemeine Stimmung in der Mannschaft in einem männerdominierten Sport?
Die Stimmungen in den Mannschaften ist, mal abgesehen vor den Corona bedingten Zwangspausen, sehr gut. Wir versuchen unseren Mädels nicht nur fußballerisch was beizubringen, sondern begleiten sie auch in ihrer sozialen Entwicklung und versuchen ihnen Werte mit auf den Weg zu geben. Wir versuchen ihnen zu zeigen, was das Schöne an einem Mannschaftssport und dem Miteinander ist. Daher zählt nicht nur der Fußball, sondern auch gemeinsame Unternehmungen, Ausflüge oder Mitmachaktionen in unserer Stadt, wie Teilnahme am Frühlingslauf oder Beteiligung am World Clean Day in Bad Berka. Ein besonderes Highlight war die aktive Teilnahme von 30 Nachwuchskickerinnen am Länderspiel der Frauennationalmannschaft gegen Spanien in Erfurt. Hier waren sie als Einlauf- und Fahnenkinder live dabei. Ebenso der gemeinsame Ausflug im Dezember 2018 aller Mannschaften ins Jump House nach Leipzig mit anschließendem Besuch des Weihnachtsmarktes. Trotz der erfolgreichen Nachwuchsarbeit in unserem Verein, ist die Anerkennung im eigenen Verein schwierig. Dies ist aber nicht nur unser Los, dasselbe trifft auch auf die männlichen Nachwuchsteams unseres Vereins zu. Hier leisten unsere Trainer auch hervorragende Arbeit, was die Erfolge der letzten Jahre zeigen, doch leider auch nicht immer mit der nötigen Anerkennung. Sagen wir mal so, Anerkennung muss man sich immer wieder erarbeiten ;)

Wie empfinden Sie die Unterstützung des Verbandes/KFAs bei der Weiterentwicklung des Frauen- und Mädchenfußballs? (Projekte, Engagement, finanzielle Mittel)
Einzig die Unterstützung zum Tag des Mädchenfußballs ist mir aus den letzten Jahren bekannt und eine Auszeichnung zur einer Fußball-Ferienfreizeit für die Mädels, wobei man sich hierfür selbst bewerben musste. Die Idee für verdiente Vereine kam also nicht vom Verband. In den Anfängen des Mädchenfußballs gab es ab und zu noch finanzielle Unterstützungen durch den Verband, um die doch weiten Fahrtstrecken im Spielbetrieb in ganz Thüringen abzudecken. Doch diese gibt es auch seit Jahren nicht mehr. Die Unterstützung des KFA Mittelthüringen für den Mädchenfußball tendiert auch gegen Null. Als wir vor ein paar Jahren mal noch 5 Mannschaften der E-Juniorinnen im Landesspielbetrieb allein aus dem KFA Mittelthüringen hatten, wurde unser Vorschlag auf Durchführung eines kleinen Punktspielbetriebes für die Mädels untereinander nicht aufgenommen. Ansonsten wüsste ich jetzt nicht, wie wir durch den TFV oder KFA unterstützt werden. Wie bereits erwähnt, ich rede hier nur vom Amateurfußball, nicht von leistungsbezogenen Vereinen.

Welche Personen hatten in der Vergangenheit einen großen Anteil bei der Entwicklung des Frauen- und Mädchenfußball im Verein und ist die Unterstützung der Eltern im Mädchenfußball gegeben?
Ohne die Unterstützung der Eltern lässt sich so ein Programm an Spielen, Ausflügen, Bewirtung der Gastmannschaften bei Turnieren etc. nicht realisieren. Und wir sind seit Jahren dankbar für die Unterstützung unserer Eltern und wissen dies auch zu schätzen. Denn sie wissen, dass unser Engagement für ihre Kinder auch nur rein ehrenamtlich ist und wir dies aus Liebe zu diesem Sport und für unsere Mädels gerne machen, auch wenn es manchmal stressig ist. Auch die Unterstützung einiger Eltern bei der Suche nach Kleinsponsoren, zur Ausstattung der Mannschaften, ist für uns sehr wichtig und dafür sind wir auch sehr dankbar.

Was macht ihr, um Mädchen im jungen Alter für euren Verein und den Fußball zu begeistern?

Jeder hat sein Geheimrezept ;)

Wo geht die Entwicklung hin mit dem Mädchen- und Frauenfußball in Bad Berka und 
wird in Zukunft die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement weiterhin gegeben sein - sowohl als Spielerin als auch als Trainer/Trainerin?
Um Bad Berka mache ich mir momentan keine Sorgen. Ich denke, die Bereitschaft für soziales Engagement ist in vielen Vereinen stark rückläufig, bis gar nicht mehr vorhanden. Bestes Beispiel hierfür ist unter anderem, dass die Anzahl der Frauenmannschaften in Thüringen stark schwindet und wir somit keine Teilung mehr in Verbandliga und Landesklasse haben. Auffällig ist hier auch, dass die Bereitschaft der Vereine, sich um Nachwuchs zu kümmern, nur geringfügig vorhanden ist. Ich denke, wenn mehr Werbung und mehr Unterstützung von den Verbänden gegeben wäre, wie Ende der 90iger – Anfang der 2000 Jahre, dann würden sich sicherlich viel mehr Mädchen und Frauen für den Fußball begeistern. Was eventuell eine steigende Anzahl der Mannschaften zur Folge hätte.

Vielen Dank für das Interview - wir wünschen weiterhin viel Erfolg und Spaß bei dem Engagement im Frauen- und Mädchenfußball.


Quelle:Thüringer Fußballverband